ROLAND VONTOBEL Text // WERNER MEIER Illustration
Die Mistel, als zweite Heilpflanze im Jahresverlauf, ist gerade jetzt sehr interessant. Wenn Sie eine Wanderung im Wald oder über Land machen, erblicken Sie in den laublosen Bäumen die grünen Mistelkugeln mitsamt den reifen, weissen Beeren. Diese bilden in der kargen Jahreszeit eine Futterquelle für die Vögel. Die klebrigen Beeren haften an den Schnäbeln und werden gerne an Baumrinden abgestreift und so verbreitet – oder über Kotausscheidungen.
Als erdbodenfern gedeihende Pflanze gehorcht die Mistel eigenen Rhythmen und Kräften und emanzipiert sich von der übrigen Pflanzenwelt; sie ist sozusagen eine unirdische Pflanze, die einfach nicht dazugehören will. In ihrer schwerelosen, kugeligen Form zieht es sie weder zur Erde noch zur Sonne. Sie findet ihren Mittelpunkt in sich selbst. Dieser Eigensinn ist ungewöhnlich für eine Pflanze, darum galt die Mistel schon seit Urzeiten als Kult‑, Zauber- und Heilpflanze. Heutzutage wird die Mistel in der modernen Pflanzenheilkunde vor allem bei Kreislauf- und Blutdruckproblemen verwendet. Als Tee oder Pflanzentropfen regelmässig eingenommen verbessert sich die Durchblutung und der Kreislauf. Der Schwindel vergeht und einer Gefässverkalkung wird vorgebeugt. Die Symptome eines hohen Blutdruckes wie Kopfdruck, Kopfröte, Ohrensausen und Schwindel verschwinden mit der Zeit. Ebenfalls stärkt die Mistel das Herz, was speziell nach Erkältungen wohltuend und spürbar ist.
In der anthroposophischen Medizin ist die Sonderstellung der Mistel auch in der Krebstherapie von Nutzen. So vermag eine Mistel-Spritzentherapie die körpereigenen Abwehrkräfte anzuregen, und eine Krebserkrankung kann zum Stillstand kommen. Mistel als Urtinktur wird 3 x 20 Tropfen täglich eingenommen. Als Tee machen Sie einen Kaltauszug, indem Sie einen Teelöffel Kräuter mit einer Tasse kaltem Wasser über Nacht stehen lassen. Täglich eine bis zwei Tassen über längere Zeit trinken.