Sei­del­bast, betö­rend und schön giftig

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ROLAND VONTOBEL Text // WERNER MEIER Illustration

Wer ein­mal dem Sei­del­bast, einer geschütz­ten Heil­pflan­ze, begeg­nen möch­te, mache sich im zei­ti­gen Früh­jahr auf die Wan­der­schaft. Im erwa­chen­den Früh­lings­wald wer­den Sie dabei von einem betäu­bend süss duf­ten­den Wind­hauch über­rascht. Fol­gen Sie dem Geruch und bald fin­den Sie den Zwerg­strauch, der ver­schämt sei­ne Rute in die mil­de Son­ne streckt. Die Zwei­ge sind mit rosa­ro­ten Blü­ten bedeckt, die sich scharf von der hell­grau­en Rin­de abhe­ben. Sie erschei­nen noch bevor die Blät­ter zu trei­ben begin­nen. Dies ist nur mög­lich, weil der Sei­del­bast im ver­gan­ge­nen Herbst Reser­ve­stär­ke in den ver­holz­ten Zwei­gen ange­legt hat­te. Der bis 150 Zen­ti­me­ter hohe Zwerg­strauch gehört zur Gat­tung der Sei­del­bast­ge­wäch­se, von denen in unse­rer Gegend fünf hei­misch sind. Der Sei­del­bast ist der bekann­te­ste und kommt in unse­ren Wäl­dern von der Ebe­ne bis auf 2000 Meter Höhe vor.

Im Mit­tel­al­ter wur­de der Sei­del­bast als Haut­reiz­mit­tel bei Rheu­maschmer­zen in Form von Brei auf die Haut auf­ge­tra­gen. Da er sehr gif­tig ist und schon bei Berüh­run­gen die Haut reizt, wird er vor allem in der Homöo­pa­thie genutzt.

Aus der Früh­jahrs­rin­de wird die homöo­pa­thi­sche Urtink­tur her­ge­stellt. Poten­ziert wird der Sei­del­bast, lat. Meze­re­um genannt, erfolg­reich ein­ge­setzt bei stark jucken­den Ekze­men mit eit­ri­ger Kru­sten­bil­dung, Milch­schorf, Gür­tel­ro­se mit bren­nen­den schies­sen­den Schmer­zen, Neur­al­gi­en und Kno­chen­schmer­zen im Gesicht. Schon die Signa­tu­renleh­re oder das Aus­se­hen der Heil­pflan­ze gibt uns Hin­wei­se auf das Haupt­ein­satz­ge­biet in der Heil­kun­de bei Ekze­men und Neur­al­gi­en im Kopf­haut- und Gesichts­be­reich (Blü­ten am Ende der Äste) und bei Kno­chen­schmer­zen (Äste sehen aus wie Röh­ren­kno­chen). Viel Spass auf Ihren Frühjahrswanderungen.