ROLAND VONTOBEL Text // WERNER MEIER Illustration
Alle haben sie schon gesehen, die wenigsten kennen ihren Namen: die Gundelrebe. Sie ist der «Landstreicher» in der grossen Heilkräuterschar, da sie mit ihren rankenden Trieben unermüdlich den Boden entlang kriecht. Wo sich die Gundelrebe wohlfühlt, bildet sie ausgedehnte Polster. An sonnigen Stellen bekommt sie jedoch rasch einen «Sonnenbrand», und die Blätter verfärben sich mit rotbraunen Pigmentflecken.
Die Gundelrebe gehört zur Familie der Lippenblütler und hat mit ihren blauvioletten Blüten eine magische Anziehungskraft. Es ist eine Wohltat, in ihr Blütenauge zu blicken und zugleich den aromatischen Duft einzuatmen. Etwas Mystisches umgibt sie und lässt erahnen, dass immense Heilkräfte in ihr verborgen sind. Hildegard von Bingen schrieb: «Es ist eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist heilsam.»
In der sogenannten Erfahrungsheilkunde galt die Gundelrebe schon bei den Germanen als heilige Pflanze und schützte die Wohnstätten vor Blitzschlägen. Im Mittelalter bereitete man im Frühjahr eine stärkende und regenerierende Gundelrebensuppe zu und gab ergänzend Brennnesselblätter, Spitzwegerich, Gänseblümchen, Vogelmiere, Guten Heinrich, Sauerampfer, Bärlauch und Brunnenkresse dazu. Heutzutage nutzt man die starke Heilwirkung der Gundelrebe bei akuten und chronischen Entzündungen der Schleimhaut, beispielsweise bei Schnupfen, Nebenhöhlenvereiterungen, Rachen- und Mandelentzündungen und Bronchialhusten. Vorbeugend kann sie aber auch Blase und Harntrakt beruhigen, wenn diese zu Eiterungen neigen. Bei chronisch eitrigen Wunden oder Geschwüren kann die Gundelrebe dauerhafte Linderung verschaffen. Zugleich besitzt die Pflanze eine weitere, nicht zu unterschätzende Wirkung, ist sie doch imstande, die im Organismus abgelagerten toxischen Schwermetalle zu entgiften. Das kommt nicht nur dem Immunsystem zugute, es stärkt auch die Psyche und hebt die Stimmung.
Die Gundelrebe gibt es als Trifloris Heilpflanzentropfen (3 x 5 Tropfen), als Frischpflanzentropfe (3 x 20 Tropfen täglich) oder in Teemischungen. Selbstgepflückte Pflanzen können ebenfalls zu Tee aufgekocht werden. Oder die Gundelrebe wird dem Salat beigegeben. Da isst doch gleich auch das Auge mit.