ROLAND VONTOBEL Text // WERNER MEIER Illustration
1980 lebte und arbeitete ich für zwei Jahre im Puschlav. Mich faszinierten die intakte Bergwelt und die freundliche Bevölkerung. So nahmen die Bewohnerinnen und Bewohner auf meine knappen Italienischkenntnisse Rücksicht und halfen mir beim Erlernen der Sprache. Die Wiesen wurden noch nach
alter Tradition gedüngt, darauf gediehen wilder Kümmel, wilde Schafgarbe und viele Kräuter. Ich denke, den Kühen gefiel diese Kost, sie lohnten es mit Gesundheit und guter Milch. Unterhalb von Poschiavo begannen erste Bauern biologische Kräuter anzubauen, und in Poschiavo gab es eine Biogärtnerei. Biobauer Raselli baut heute im grossen Stil biologische Heilkräuter in dieser idealen heilen Welt an, stellt selbst wunderbare Kräuterteemischungen her und beliefert Schweizer Kräuterhäuser oder Hersteller von Kräuterprodukten wie beispielsweise Ricola.
Einmal pro Woche wurde ich von der Familie Zanolari zum Abendessen eingeladen und mit Pizzoccheri und anderen Puschlaver Spezialitäten verwöhnt. Heute betreibt die Familie in zweiter Generation mit Marcel Zanolari das Weingut La Torre in Poschiavo. Sie bebauen im nahe gelegenen Veltlin einige Hektaren steiles, sonnendurchflutetes Terrain nach biologisch und biologisch-dynamischen Grundsätzen mit Trauben. Der Boden wird mit Mischkulturpflanzen begrünt, die Reben werden mit Kompost gedüngt, mit natürlichen Pflanzenschutzmitteln gestärkt und so vor Schädlingen geschützt. Das Resultat lässt sich sehen: Für seine Rot‑, Rosé- oder Weissweine konnte sich Marcel Zanolari schon über manche Auszeichnung freuen. In besonderen Momenten geniesse ich ein Glas Biowein von La Torre aus Poschiavo und denke an die vielen schönen Momente von damals zurück. Prosit!